Sparmaßnahmen gefährden Behindertenhilfe in Hessen

13. Nov. 2025

Einrichtungen für Menschen mit Behinderung stehen in Hessen mit dem Rücken zur Wand

Melanie Dreißiger - Zitatgeberin im Bathildisheim
Melanie Dreißiger - Zitatgeberin im Bathildisheim. Quelle: Bathildisheim e. V.

Der Sozialabbau in den öffentlichen Haushalten trifft in Hessen jetzt Einrichtungen für Menschen mit Behinderung. Der von den hessischen Städten und Landkreisen getragene Landeswohlfahrtsverband (LWV) will die Finanzierung der Behindertenhilfe deckeln– und zwar anscheinend ohne Rücksicht auf abgeschlossene Tarifvereinbarungen und Rechtsansprüche. Für viele Einrichtungen kann dies das wirtschaftliche Aus bedeuten, für Menschen mit Behinderung oder psychischer Erkrankung den Verlust von ihnen rechtlich zustehenden Teilhabeleistungen.

Konkret fordert der LWV von der Freien Wohlfahrt, zu der unter anderem Diakonie, Caritas, AWO und Parität gehören, einen „Zukunftssicherungsbeitrag“, den diese mit Einsparungen leisten müssten. Diese geplanten Einsparungen betreffen auch private Einrichtungen.

Die Einsparungen würden unweigerlich zu Personalkürzungen führen, die unmittelbar Auswirkungen auf die Teilhabeleistungen für Menschen mit Behinderung oder psychischen Erkrankungen hätten. Solche Maßnahme würden Sozial- und Pflegeberufe noch unattraktiver machen und den ohnehin herrschenden Fachkräftemangel verschlimmern.
In den Verhandlungen mit den Leistungserbringern aus Freier Wohlfahrt und Privatwirtschaft hatte der LWV gestiegene Kosten beklagt. Melanie Dreißiger, heilpädagogische Beraterin des Bathildisheim e.V., stellt klar: „Wir sprechen hier über Menschen, über ihren Rechtsanspruch auf Teilhabe und Selbstbestimmung. Jede Kürzung verringert ihre Möglichkeiten, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Wer daran spart, spart an Teilhabe, an Menschenwürde und an gesellschaftlicher Verantwortung.“

„Die Kostensteigerungen sind aber vor allem auf die gestiegene Zahl von Menschen mit Behinderung und die vom LWV selbst verursachte Bürokratie zurückzuführen“, so Dr. Thorsten Hinz, Vorstand der Nieder-Ramstädter Diakonie (NRD). „Der Bundesvergleich zeigt, dass wir in Hessen kostenbewusst arbeiten. Und die Lohnerhöhungen reichen kaum, um gestiegene Lebenshaltungskosten der Mitarbeitenden in der Behindertenhilfe auszugleichen.“

Thorsten Hinz beklagt, dass die Verhandlungen zwischen dem LWV und den Verbänden der Leistungserbringer zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis geführt haben. Angesichts der drohenden Sparmaßnahmen habe sich die NRD mit anderen Einrichtungen zusammengeschlossen und konkrete Forderungen an die hessischen Kommunen und ihren LWV erarbeitet: „Die Rechtsansprüche von Menschen mit Behinderung dürfen in Hessen nicht durch pauschale Kürzungen und Tarifabsenkungen gefährdet werden. Das System braucht einen Neustart“.

Wie die Behindertenhilfe in Hessen funktioniert:

  • Die Unterstützung von Menschen mit Behinderung ist in Deutschland eine Aufgabe der Kommunen, also der Landkreise und Städte.
  • In Hessen haben sich die Kommunen zum Landeswohlfahrtsverband (LWV) zusammengeschlossen.
  • Der LWV ist eine Behörde und verwaltet als Leistungsträger die für die Behindertenhilfe vorgesehenen Gelder der Kommunen zentral und beauftragt damit Einrichtungen der Freien Wohlfahrt (zum Beispiel Diakonie, Caritas, AWO und Parität) sowie privatwirtschaftliche Unternehmen.
  • Diese Leistungserbringer unterstützen dann Personen, die nach dem Gesetz aufgrund ihrer Behinderung oder Erkrankung leistungsberechtigt sind. Sie erhalten so die ihnen gesetzlich zustehenden Wohn-, Teilhabe- und Beschäftigungsmöglichkeiten, Förderung, Assistenz und Unterstützung im Alltag.

In Hessen gab es 2023 rund 67.300 Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung soziale Teilhabeleistungen erhielten und 100.000 berufstätige behinderte Menschen.


Der Forderungskatalog der Leistungserbringer liegt dieser Presseinformation bei. Unterstützt wird er bisher von folgenden Organisationen, die über 5.000 Menschen mit Behinderung oder psychischen Erkrankungen in Hessen begleiten:

  • Aufwind e. V. Verein für seelische Gesundheit,
  • Bathildisheim e. V.,
  • Bürgerstiftung Antonius,
  • JG Gruppe Rhein-Main,
  • Jugendberatung und Jugendhilfe e. V.,
  • Stiftung Nieder-Ramstädter Diakonie,
  • Stiftung Waldmühle,
  • Tanner Diakonie

Kontakt:
Juliane Diener
Bathildisheim e.V.
Leitung Unternehmenskommunikation
Fon: 05691 899-267
Mobil: 0152 34 14 99 17
E-Mail: juliane.diener@bathildisheim.de

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